Wiedenbrücker Tor 11 59302 Oelde
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Seit dem Sturz Muammar al-Gaddafis 2011 durch die NATO kommt auch Mali nicht zur Ruhe. Islamisten, Korruption und Gewalt drohen das Land zu zerreißen, trotz Frankreichs Militärpräsenz. Viele in Mali möchten den eigenen Präsidenten wie auch die Franzosen loswerden. Derweil verlängerte der Bundestag den Bundeswehreinsatz vor Ort.
Es sind beeindruckende Bilder – eigentlich wie gemacht für Nachrichtenformate wie die Tagesschau. Dennoch wird man sie gerade dort in dieser Form wohl nicht zu Gesicht bekommen. In Malis Hauptstadt Bamako kamen am 19. Juni auf dem symbolträchtigen "Platz der Unabhängigkeit" zehntausende Malier zusammen, um gegen die französische Militärpräsenz, die Machenschaften internationaler Konzerne zu protestieren und den Rücktritt von Staatschef Ibrahim Boubacar Keïta (gen. IBK) zu fordern. Zu den Protesten aufgerufen hatte der Imam Mahmoud Dicko, gemeinsam mit der politischen Opposition und Initiativen der Zivilgesellschaft.
Durch die Medien werden Sie sicherlich erfahren haben, dass seit Mitte März 2012 in Mali, besonders im Norden des Landes ein Bürgerkrieg herrscht. Von jeher hat sich die nördliche Region Malis mit seinen Bewohnern, den Touareg und Islamisten nach einer Trennung vom übrigen Teil des Staates gesehnt und dieses Ansinnen auch mehrmals versucht mit Waffengewalt zu verwirklichen. Wiedermal wurde 1988 ein bewaffneter Versuch gestartet, den lang gehegten Plan endlich umzusetzen. Doch wieder mal vergeblich, die Regierungstruppen konnten den Aufstand niederschlagen.
Im vergangenen Jahr aber verlief bei einer erneuten Rebellion alles anders, weil sich die Voraussetzungen geändert hatten. Nach dem Fall des Diktators von Libyen, Gadaffi, fanden die in seiner Armee bis dahin beschäftigten malischen Söldner mit Unterstützung einiger fundamentalistischer islamistischer Länder eine neue "alte" Aufgabe, die sie mit erbeuteten Waffen aus der libyschen Armee nun endgültig erledigen wollten, nämlich die Trennung des Nordens vom übrigen Mali und die Gründung eines eigenen Staates, namens Azawad. Dies war ohne kriegerische Auseinandersetzungen nicht möglich. Bei diesen gewannen die Touareg zunächst offensichtlich die Oberhand, weil sie ja jetzt im Besitz von schweren Waffen waren. Überall, wo sie Städte einnahmen, führten sie die Scharia als die einzig mögliche Lebensform ein, die der Bevölkerung dort Terror und Schrecken bescherte. Hunderttausende Menschen flüchteten gen Malis Süden und in benachbarte Länder, um den Zuständen wie im Mittelalter zu entkommen. Frauen hatten verschleiert auf die Straße zu gehen, Dieben wurden als Strafe für ihre Vergehen eine Hand amputiert. Vergnügungen wie Rauchen, Singen und Tanzen waren verboten. Sing- und Tanzverbot bei Afrikanern? Das kann doch nicht wahr sein! Überall im Land glaubten die Menschen im falschen Film zu sein! Überfälle und Vergewaltigungen von Frauen waren an der Tagesordnung. Diesem Schreckensszenario konnte man doch nur zu entfliehen versuchen! Wer dies nicht schaffte, ordnete sich wohl oder übel unter, um das eigene Leben nicht aufs Spiel zu setzen, denn gegen Waffengewalt ist ein friedliches Volk machtlos.
Der Staat Mali musste die bittere Erkenntnis gewinnen, dass er sich aus eigener Kraft nicht gegen die Aufständischen zur Wehr setzen konnte, sondern Hilfe von außen brauchte. Von daher bat er um Fremdhilfe. Da lag es nahe, dass Frankreich - La Grande Nation - als ehemalige Kolonialmacht der Republik Mali, die früher "Französischer Sudan" hieß, als erstes Land bereit war, zu Hilfe zu kommen. Allerdings bedurfte es einiger Zeit, in der Verhandlungen geführt werden mussten, bis die Fremdhilfe tatsächlich einschreiten konnte; wie gesagt, allen voran Frankreich mit 3.000 Soldaten. Deutschland, so ließ Außenminister Guido Westerwelle vernehmen, beteilige sich zwar nicht direkt an den Kriegskämpfen, aber stelle Hilfsmittel und Ausbilder für die malischen Regierungstruppen zur Verfügung.
Mit Beginn des Einmarsches der französischen Soldaten von der Hauptstadt Bamako aus in Richtung Norden nahmen die Islamisten in Algerien Europäer als Geiseln und drohten sie zu töten für den Fall, dass Frankreich den Aufmarsch nicht sofort beende. Eine algerische Militäreinheit versuchte von daher, die Geiseln mit Waffengewalt zu befreien. Dabei kam es zu einem regelrechten Blutbad mit vielen Toten sowohl unter den Terroristen als auch den Geiseln. Die endgültige Zahl der Opfer ist allerdings noch unklar. Neuesten Angaben zufolge sind 80 Geiseln und 25 Terroristen getötet worden. Bei letzteren kam es überdies zu 5 Festnahmen.
Durch den Aufmarsch der französischen Soldaten als herbeigerufene Unterstützungsmacht ist es der malischen Armee gelungen, die Islamisten weitgehend zurückzudrängen, so dass die zuvor eingenommenen Städte wie Kona, Timbuktu, Kidal und Gao mittlerweile wieder befreit sind. Nun weiß man aber, dass die Islamisten lediglich "verschwunden", aber nicht besiegt und gefangen wurden. Sie haben nur das Feld geräumt und lauern in Verstecken darauf, dass die französischen Soldaten abziehen, um sofort wieder aufzutauchen zur Fortsetzung ihrer Angriffe. Experten befürchten das Entstehen eines Guerillakrieges wie in Afghanistan. Von daher hat Frankreich die Vereinten Nationen gebeten, UNO-Blauhelmsoldaten nach Mali zu entsenden, um bei der politischen Stabilisierung des Staates Mali mitzuhelfen.
Berichterstattung aus <der Spiegel> Nr. 25/13.06.20
Neun Tage nachdem die Motorräder gekommen waren, nachdem sie morgens wieder um das Dorf Ogossagou gekreist waren, die Fahrer hinter den gleißenden Scheinwerfern nur Schemen im Mondlicht, und Tod und Verderben über die Gemeinde gebracht hatten, begrüßt Mahmoudou Barry den Premier Minister Malis mit den Worten: "Was Sie hier riechen, sind nicht die Tiere. Es sind die Leichen"
Barry, ein schmächtiger Mann mit tief liegenden Augen, der Bart grau von Jahren des Leides, ist ein Dorfvorsteher des Ortes in der Region Mopti in Zentralmali, wo sich das Dorf Koumaga befindet. Er gehört den Fulani an, einem alten Hirtenvolk, das sich auch selbst Peuhl nennt. Den schwarzen Turban trägt er eng um den Kopf geschlungen. Seine Augen sind müde und trüb."Die Frauen flehten uns an, das Dorf zu verlassen. Wir haben nicht auf sie gehört. Jetzt leben wir in der Hölle" sagt er und sein Blick schweift über das Chaos, das einmal sein Dorf war.
Müll liegt herum, umge-stürzte Mauern aus Lehmziegeln, Tonscherben. Verkohlte Bäume ragen wie Gerippe in den Himmel. Über alles das Geruch des Todes.
Keine 50 Meter entfernt, hinter verwüsteten Lehmhütten, liegen 31 Leichen in der harten Erde.Dorfvorsteher Barry läuft in Richtung des Grabes, wo sich der Premier Minister Minister Boubou Cissé auf dem Boden kniet und betet. 20 Bewohner vermissen noch immer. auch diesmal geht die Attacken auf das Konto der Dogon, einer ethnischen Gruppe, mit der sich die Fulani zunehmend Kämfpte liefern.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Terror in das Dorf gekommen ist. Nicht weit von den Toten liegen die Gebeine von rund 160 Menschen, die voriges Jahr niedergemetzelt wurden, in einem Massaker, das einen internationalen Aufschrei auslöste. Ein Sonderberater der UNO warnte damals vor der Ethnisierung des Konflikts.
In keine andere Region kommen der der Präsident und Premier so oft wie nach Mopti, sagen sie hier. "Denn sie kommen nur nach großen Angriffen"
Hier nahe der Grenze u Bukina-Faso und Niger wollen islamistische Gotteskrieger ein Kalifat errichten. Dafür brauchen sie einen Staat, der schwach ist, und eine Regierung, die sich aus der Fläche des Landes zurückzieht.
An wenigen Orten kann man diese Schwäche so gut beobachten wie in Ogossagou. Ein kleines Dorf, fast unzugänglich für ausländische Beobachter, es sei denn sie reisen in Eskorten, bewaffnet bis an die Zähne. So wie in der des Premierministers an diesem Morgen. Ein Dorf wie so viele, im toten Winkel der Regierung in Bamako.
Die Region Mopti, in der das Dorf Ogossagou liegt, ist der malische Schmelztiegel bewaffneter Gruppen. Menschenschmuggler, Dschihadisten, Banditen, Milizen, Drogenhändler, die hier eine wichtige Route betreiben, alle seien sie hier, sagen Beobachte der UNO-Mission "MINUSMA", die helfen soll, das Land zu stabilisieren.. Staatsversagen, Klimawandel, ethnische Spannungen zwischen Hirten und Ackerbauern, schlechter Zugang zu Bildung, hohe Geburtsraten: Mopti ist eine Miniatur von vielem, was in der Sahelzone falsch läuft.
Am Freitag vergangener Woche demonstrieren Tausende in der Hauptstadt Bamako gegen den Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita. Unter seiner Führung verkommen Mali zu einem riesigen Friedhof, warfen sie ihm vor. Am selben Tag kam es in der Region Mopti zu einem Massaker mit mindestens 20 Toten.
Nur wenige Tage zuvor hatte die französische Armee einen seltenen Erfolg verzeichnet. In Nordmali töteten die Soldaten den von Al-Qaida im Maghreb, Abdelmalek Droukdel. Nur wird die malische Regierung das Führungsvakuum bei den Islamisten kaum nutzen können. Zu schwach ist ihr Einfluss in großen Teilen des Landes. Wahrscheinlicher sind weitere Machtkämpfe unter den verschiedenen dschihadistischen Gruppen. Bereits im vergangenen April kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen dem örtlichen Qaida-Ableger JNIM und Anhängern des <Islamischen Staats> in der Region.
Die Krise begann 2012 in Mali. Die Tuareg erhoben sich, um den Norden des Landes abzuspalten, verbündeten sich mit Islamistengruppen und überrannten schnell weite Teile Nordmalis. Anfang 2013 intervenierte die französische Armee, ehemals Kolonialmacht, und trieb die Aufständischen zurück in die Wüste. Heute haben die Franzosen i.R, ihrer Anti-Terror-Operation <Barkahne> 5100 Soldaten im Sahel stationiert. Die UNO schickte für < MINUSMA>-Mission 15.000 Blauhelme. Auch die Bundeswehr unterstützt die Mission mit bis
zu 1100 Soldaten. Aber auch diese Truppen reichten nicht aus, um zu verhindern, dass die Islamisten auf dem Vormarsch sind. Dass sich immer neue Milizen gründen. Und dass die Gewalt aus Malis Norden sich nach Zentralmali ausbreitete und von dort aus über die Grenze nach Niger und Burkina-Faso.
Mehr als 4.000 Menschen starben bei Angriffen im vergangenen Jahr in den drei Ländern, fast eine Million war gezwungen zu fliehen. In den Ausläufern der Sahara entstehen weitläufige Rückzugsgebiete für Terrorgruppen, die Herrschaftsgebiete im Nahen Osten verloren haben. Die Gefahr ist, dass sich die Instabilität in ganz Westafrika ausbreitet.
Ein Problem eint alle betroffenen Länder: Die Golfstaaten investieren viel Geld in islamische Bildungseinrichtungen, um einen extrem konservativen wahhabitischen Islam zu verbreitern. Viele Extremisten haben sich zudem mit internationalen islamistischen Terrorgruppen verbündet, mit dem IS oder Al-Qaida.
Die Islamisten verfolgen in Zentralmali eine so perfide wie erfolgreiche Strategie: Sie provozieren Konflikte zwischen den Volksgruppen der Fulani und der Dogon. Dann bieten sie den Opfern Schutz vor einem Konflikt an, den sie selbst angeheizt haben und gewinnen dadurch weiteren Einfluss. Hunderte ethnische Selbstverteidigungsmilizen sind dadurch entstanden. Dass die Dschihadisten sich bei der Rekrutierung von Kämpfern oft auf Angehörige der Fulani konzentrieren, führt zusätzlich zu Stigmatisierung.
Gezielt töten Islamisten Führer beider Ethnien. Männer, die seit Generationen verantwortlich waren für Frieden zwischen den Gruppen. Sie haben ein fein kalibriertes System zerstört, dass Spannungen dämpfte, und einen Kreislauf aus Rache und Vergeltung angestoßen. Dieser vielschichtige, mehrere Landesgrenzen überschreitende Konflikt wird nun durch die CoronaPandemie noch verschärft.
JNIM hat Sars-CoV-2 bereits in seine Propaganda integriert. Das Virus sei <ein Soldat Gottes> im Kampf gegen die französischen und malischen Truppen. Die Pandemie werde die europäischen Länder, die Soldaten entsendet haben, schwächen, und es werde zu einer Zersplitterung der Militärkoalition in der Sahelzone kommen.
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